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Economics Update November 2024 - Eine zweite Trump-Präsidentschaft bietet Chancen für Europa

Bad Homburg, 12.11.2024
von Axel D. Angermann
  • Europa muss sich mit seinen strukturellen Schwachpunkten befassen
  • Neuausrichtung der europäischen Politik müssen konkrete Maßnahmen folgen
  • Stärkung der Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit dringend erforderlich

Die Reaktion der Kapitalmärkte auf den Wahlsieg Trumps zeigte eindeutig, wie die Akteure dort die Folgen für Europa einschätzen: negativ. Die Aussicht, dass Waren aus Europa generell mit Importzöllen belegt werden, könnte sich tatsächlich als zusätzliche Belastung für eine bereits schwach wachsende Wirtschaft darstellen. Die Möglichkeit, dass eine neue US-Administration die NATO infrage stellt oder ultimativ höhere Verteidigungsausgaben von den europäischen Mitgliedern fordert, wird manchem Finanzminister jetzt schon Sorgen bereiten. Und eine Einstellung der US-amerikanischen Unterstützung für die Ukraine sowie ein nachfolgender Deal zwischen Trump und Putin über die Köpfe der Ukrainer hinweg birgt das Risiko, dass die Sicherheitsinteressen der EU übergangen werden.

Europa muss sich neu ausrichten

Mit einer Mischung aus Angst und Besorgnis auf Trump zu schauen, greift jedoch zu kurz. Vielmehr muss sich Europa jetzt endlich mit den eigenen strukturellen Schwächen auseinandersetzen. Diese sind schon seit langem bekannt, aber spätestens seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine mit erheblich negativen Konsequenzen verbunden: Die hohe Abhängigkeit europäischer Volkswirtschaften von Exporten ist zunehmend problematisch in einer Welt, in der vom Welthandel kaum noch positive Impulse ausgehen und die Herausbildung voneinander abgekoppelter Blöcke droht, zwischen denen Europa mit seinen bislang umfassenden Handelsbeziehungen zu beiden Seiten hin und her navigieren müsste. Handelsabkommen mit anderen Partnern, die das Problem lindern könnten, sind in der Vergangenheit aus ideologischen Gründen verworfen worden und kommen auch jetzt nicht wirklich voran. Dass die EU eigene geopolitische Interessen definieren, zu deren Vertretung veränderte Abstimmungsprozesse und institutionelle Vorkehrungen treffen und zu ihrer Umsetzung auch Ressourcen bereitstellen muss, ist inzwischen eine Binse – in der praktischen Politik hat sich dies bislang aber weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene niedergeschlagen.

Im Falle eines Wahlsiegs von Kamala Harris wäre zu befürchten gewesen, dass sich die europäischen Regierungen erleichtert zurückgelehnt und so weitergemacht hätten wie bisher. Dies ist nun für jeden sichtbar als Illusion enttarnt. So gesehen bietet der Wahlsieg Trumps die Chance, dass die europäischen Regierungen endlich das tun, was sie auch ohne Trump schon längst hätten tun müssen: deutlich stärker in die eigene Verteidigungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu investieren.

Das nächste Jahr wird entscheidend

Europa muss jetzt in kurzer Zeit die Versäumnisse der Vergangenheit nachholen. Das Jahr 2025 wird daher von entscheidender Bedeutung. Eine positive Prognose könnte so aussehen: Europa einigt sich auf ein EU-weites, schuldenfinanziertes Programm in erheblichem Umfang zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit Europas, zum Ausbau der Rüstungskapazitäten und zur Koordinierung diesbezüglicher Aktivitäten zwischen den EU-Staaten. Möglicherweise wird dieses Programm durch ein weiteres für Infrastrukturinvestitionen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen ergänzt. Aus ökonomischer Sicht bliebe dabei festzuhalten: Schulden auf EU-Ebene mit gemeinschaftlicher Haftung der Mitgliedsländer sind kein Rezept aus dem ordnungspolitischen Lehrbuch und bergen auch Risiken. Umso wichtiger wäre es sicherzustellen, dass die Mittel tatsächlich zielgerichtet für eine Stärkung der eigenen Handlungsfähigkeit respektive Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt würden und, noch wichtiger, dass sie ergänzt würden durch einen umfassenden Bürokratieabbau. Wenn dies gelänge, könnten wir Ende des kommenden Jahres vielleicht sagen: Europa hat unter dem Druck einer Trumpschen Präsidentschaft endlich Schritte in die richtige Richtung unternommen. 


Über Axel D. Angermann

Axel D. Angermann analysiert als Chef-Volkswirt der FERI Gruppe die konjunkturellen, geldpolitischen und strukturellen Entwicklungen aller für die Asset Allocation wesentlichen Märkte. Seine Analysen bilden die Grundlage für die strategische Ausrichtung der Multi Asset-Strategie der FERI, die vom CIO der FERI Gruppe, Dr. Marcel V. Lähn, verantwortet wird. Angermann selbst verantwortet seit 2008 die von FERI erstellten Analysen und Prognosen für die Gesamtwirtschaft und die internationalen Finanzmärkte. 2002 trat er als Makroanalyst in das Unternehmen ein. Seine berufliche Karriere begann beim Max-Planck-Institut für Ökonomie und beim Verband der chemischen Industrie. Angermann studierte Volkswirtschaftslehre in Berlin und Bayreuth.

Über FERI

Die FERI Gruppe mit Hauptsitz in Bad Homburg wurde 1987 gegründet und hat sich zu einem der führenden Multi Asset-Investmenthäuser im deutschsprachigen Raum entwickelt. Für institutionelle Investoren, Familienvermögen und Stiftungen bietet FERI maßgeschneiderte Lösungen in den Geschäftsfeldern:

Das 2016 gegründete FERI Cognitive Finance Institute agiert innerhalb der FERI Gruppe als strategisches Forschungszentrum und kreative Denkfabrik, mit klarem Fokus auf innovative Analysen und Methodenentwicklung für langfristige Aspekte von Wirtschafts- und Kapitalmarktforschung.

Derzeit betreut FERI zusammen mit MLP ein Vermögen von ca. 60 Milliarden Euro, darunter rund 18 Milliarden Euro Alternative Investments. Die FERI Gruppe unterhält neben dem Hauptsitz in Bad Homburg weitere Standorte in Düsseldorf, Hamburg, Hannover, München, Luxemburg, Wien und Zürich.



Pressekontakt

Marcel Renné

Vorsitzender des Vorstandes & CEO

Rathausplatz 8-10

61348 Bad Homburg

Axel Angermann