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Die Wirtschaftsleistung im Euroraum hat im ersten Quartal um 0,3 Prozent gegenüber dem Schlussquartal des Jahres 2023 zugelegt. Das Wachstum blieb damit zwar zum siebten Mal in Folge hinter dem der USA zurück, aber es war der höchste Wert seit eineinhalb Jahren, und alle großen Länder, auch Deutschland, trugen zu diesem Ergebnis bei. Hinter der moderat positiven Entwicklung stehen zwei Faktoren: Erstens legt der private Konsum wieder zu. Die sinkende Inflation sorgt zusammen mit relativ hohen Nominallohnzuwächsen für eine positive Entwicklung der Realeinkommen. Realeinkommenszuwächse von mehr als 2 Prozent hatte es zuletzt Ende des Jahres 2020 gegeben. Das Konsumentenvertrauen liegt zwar immer noch auf einem niedrigen Niveau, hat sich aber seit einem Tiefpunkt im Oktober 2023 spürbar verbessert. Diese Entwicklung dürfte anhalten und dem Konsum auch in den kommenden Quartalen positive Impulse geben.
Zweitens mehren sich die Anzeichen für eine Trendwende im globalen Zyklus der Industrieproduktion. Wichtige vorlaufende Indikatoren wie die Exporte Singapurs und Taiwans, die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie und hier besonders die Differenz zwischen den Auftragseingängen und den Fertigwarenlagern sind seit Anfang des Jahres ins Positive gedreht. Davon würde die europäische Industrie profitieren, und tatsächlich ist die Produktion in den ersten Monaten des Jahres um 1,6 Prozent gestiegen. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sich auch diese Entwicklung fortsetzen und möglicherweise an Dynamik gewinnen wird.
In den kommenden Quartalen ist deshalb mit einem fortgesetzten Wachstum der Wirtschaftsleistung im Euroraum mindestens in der Größenordnung des ersten Quartals zu rechnen. Zusätzlichen Rückenwind könnte die Wirtschaft von Zinssenkungen der EZB erhalten, auch wenn die realwirtschaftliche Wirkung erst mit zeitlicher Verzögerung eintritt und in Betracht gezogen werden muss, dass die Notenbank wahrscheinlich vorsichtig agieren wird. Insgesamt könnte das Wachstum im Jahr 2024 in die Nähe der 1 Prozent-Marke kommen.
Dennoch ist es eindeutig zu früh, einen neuen, nachhaltigen Aufschwung auszurufen. Dazu bleiben die Unwägbarkeiten vorerst zu groß. Die wichtigste betrifft die Entwicklung der US-Wirtschaft: Aufgrund der andauernd restriktiven Geldpolitik ist dort eine deutliche Abschwächung der konjunkturellen Dynamik bis hin zu einer moderaten Rezession um die Jahreswende 2024/25 herum zu erwarten. Dies würde auch die europäische Wirtschaft negativ betreffen, zumal mit Wachstumsimpulsen aus anderen Regionen wie etwa China weiterhin nicht zu rechnen ist. Der insgesamt noch fragile Aufschwung könnte dadurch einen Rückschlag erleiden. Auch die nachhaltige Rückkehr der Inflation auf das 2 Prozent-Ziel der Notenbank ist zwar möglich, aber keineswegs gesichert. Hohe Lohnsteigerungen könnten die Preisdynamik wieder entfachen, was weiteren Zinssenkungen der EZB einen Riegel vorschieben würde.
Langfristig bleibt die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft eine wesentliche Aufgabe. Der erhebliche Rückstand in der Wachstumsdynamik gegenüber den USA in den vergangenen Jahren verdeutlicht die Notwendigkeit dazu eindrucksvoll. Eine neue EU-Kommission nach den Europawahlen im Juni sollte dieser Aufgabe mehr Priorität widmen als bisher und dabei stärker auf marktwirtschaftliche Kräfte als auf eine detailliert regulierte Steuerung von politisch gewollten Transformationsprozessen setzen.